Über Brice Marden
Robert Mapplethrope, Brice Marden, Photograph, gelatin silver print on paper, 1986, ARTIST ROOMS Tate and National Galleries of Scotland, © Robert Mapplethorpe Foundation
„I think of myself as a romantic artist.“
Brice Marden
Seine Arbeiten basieren auf Erlebnissen und Sinneseindrücken. Ohne Kenntnis dieser persönlichen Geschichten sind seine Werke nur schwer zu verstehen. Oft enthalten Mardens Gemälde und Zeichnungen zahlreiche Hinweise auf diese Sinneseindrücke in Kurzform (Abstraktion). Beispielsweise wird ein Roadtrip durch den Bundesstaat Nebraska durch die Verwendung einer spezifischen Farbe verbildlicht.
Er fordert die Betrachter dazu auf sich seine Werke aus der Nähe und auf Distanz zu betrachten und sich dabei auf die eigenen Gefühle zu verlassen. Dies ermöglicht dem Betrachtenden seine Werke nicht nur visuell wahrzunehmen sondern in der Nahsicht auch den Arbeitsprozess und die räumliche Wirkung zu erfassen.
Brice Marden legte den Bachelor of Fine Arts an der Boston University und den Master of Fine Arts an der Yale University of Art and Architecture ab. Er arbeitete anschliessend zur Existenzsicherung als Aufseher im Jewish Museum in New York. Dort weckte eine Retroperspektive von Jasper Johns (Pop Art) sein Interesse an dessen Werk. Später arbeitete er als Assistent bei Robert Rauschenberg (Wegbereiter Pop Art).
Brice Marden besuchte ein Jahr nach der Fertigstellung die Rothko Chapel von Marc Rothko (abstrakter Expressionismus) in Houston. Sie hinterliess einen bleibenden Eindruck und er besuchte sie immer wieder. Die Sinneseindrücke von diesem sakralen Raum haben sicher auch Spuren in seinen Entwürfen für die Chorscheiben des Basler Münsters hinterlassen. Deshalb ist die Rothko Chapel auch kurz beschrieben.
Die Rothko-Kapelle ist ein ökumenisches Zentrum. Sie steht allen Religionen zur Verfügung. Sie entwickelte sich innerhalb von fünfzig Jahren zu einem Zentrum für den kulturellen, religiösen und philosophischen Austausch. Der Grundriss entspricht einem Oktagon. Die vierzehn Gemälde von Rothko hängen als drei Triptycha und fünf Einzelwerke an den acht Wänden. Von den vierzehn Gemälden sind je sieben in Schwarz, auf kastanienbrauner Grundierung, und sieben in Violett bemalt. Die Textur der Leinwand bleibt sichtbar und die Gemälde werden durch das von oben einfallende natürliche Licht beleuchtet. Dies ergibt eine feine Nuancierung der Farben entsprechend dem Lichteinfall auf das jeweilige Gemälde.
Zur Ausstellung INNER SPACE (Raum), Kunstmuseum Basel, 14.5.-28.8.2022
Die Bilder und Zeichnungen werden in drei Räumen mit thematischen Schwerpunkten ausgestellt.
RAUM 1
Im ersten Raum finden sich die Entwürfe (1978-85) zu den Scheiben des Basler Münsters. Brice Marden beteiligte sich an einem Wettbewerb für die Neugestaltung der Chorfenster des Basler Münsters. Als Sieger präsentierte er zwei Entwürfe, an denen er während fast acht Jahren (1978-85) gearbeitet hat. Dabei beschäftigte er sich intensiv mit den ortspezifischen Gegebenheiten. Beide Entwürfe überzeugten die Münstergemeinde, die Kirchensynode und die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege nicht. Seine Ideen wurden deshalb nicht realisiert.
RAUM 2
Es besteht ein innerer Zusammenhang der Werke im zweiten Raum mit den Entwürfen im ersten Raum.
Es sind zeichnerische und malerische Werke der 1960er Jahre, mit denen sich Brice Marden etabliert hat. Sie sind Ausdruck seiner Erlebnisse an einem bestimmten Ort und bewirken eine grosse farbliche und gestische Wirkung bei den Betrachtenden. Sie lassen sich als Räume von Landschaften und Architekturen lesen.
RAUM 3
Der letzte Raum ist Brice Mardens kaligraphischen Erkundungen der 1980er Jahre vorbehalten. Sie sind zeitgleich mit den Entwürfen der Scheiben des Basler Münsters entstanden.
Bei einem Besuch einer Ausstellung über japanische Kunst in New York faszinierten ihn die japanischen Schriftzeichen, die Einheit von Schrift und Bild. Sie motivierten ihn zu ausgedehnten Reisen nach Asien zum Studium fernöstlicher Schriftzeichen. In China inspirierten ihn zudem die Gedichte von Han Shan (Kalter Berg), einem Dichter aus der Tang-Zeit (spätes 7. oder 8. Jahrhundert). Diese Lyrik erinnert an einen rhythmischen Gesang mit Hebungen und Senkungen. Aus Schrift, Bild, Gesang und Rhythmus ergibt sich damit eine harmonische Einheit, so wie wir uns die Liturgie in einer mittelalterlichen Kirche vorstellen.
Für Brice Marden sind Einzelwerke und ihre Zugehörigkeit zu einer Serie gleichermassen von Bedeutung, so wie der Bezug einer Scheibe zu den restlichen Glasfenstern im Basler Münster.